Geschichte eines Arbeitskampfs oder Wie ich aus dem öffentlichen Dienst einer deutschen Exzellenz-Universität gemobbt wurde

Nun ist es nach 13 Jahren doch passiert: Ich habe meinen Job als Verwaltungsangestellte an der Universität Konstanz verloren. Schuld daran ist allerdings nicht die Corona-Pandemie, sondern die perfide Personalpolitik der Uni und ich, die ich nicht gezögert habe, rechtlich dagegen vorzugehen. Stand doch nichts weniger als das Ziel (m)eines bescheidenen Erwerbsarbeitslebens auf dem Spiel: endlich eine unbefristete Teilzeitstelle im öffentlichen Dienst zu ergattern, in der Hoffnung, dort in Frieden bis zur Rente den Großteil meines Lebensunterhalts verdienen zu können.

Wer aber glaubt, dass man im öffentlichen Dienst besser vor Kündigung geschützt ist als in der „freien“ Wirtschaft, liegt falsch, wie ich im Laufe der letzten anderthalb Jahre erfahren musste. An der Uni Konstanz (und wahrscheinlich nicht nur dort) ist die vermeintlich solide gewerkschaftliche Vertretung der Arbeitnehmer/innen des öffentlichen Dienstes nämlich von einer Personalpolitik mit Hire-and-Fire-Mentalität flankiert, wie man sie sonst von Personaldienstleistern der übelsten Sorte kennt.

Und so nahm das Unheil seinen Lauf: Kaum hatte ich im Januar 2020 nach elf Jahren und sechs befristeten Arbeitsverträgen eine der wenigen Stellen mit unbefristetem Vertrag bekommen, wollte man mich nun schon nach kurzer Zeit wieder feuern, und zwar weil eine Vorgesetzte, der meine Nase nicht passte, von Beginn an auf eine Probezeitkündigung drängte, die im April 2020 schließlich erfolgte. Auf der Basis des Kündigungsschutzgesetzes zog ich daraufhin gegen die Uni vor Gericht und klagte erfolgreich auf Unwirksamkeit der Kündigung und Weiterbeschäftigung zu denselben Konditionen.

Ein entsprechender Vergleich wurde geschlossen, ich wähnte mich in Sicherheit, und auch die Tatsache, dass die Uni während des Prozesses meine Stelle neu besetzt hatte, erleichterte mich eher, als dass sie mich beunruhigte. Denn das hieß ja nur, dass ich mit der Person, die meinen Rausschmiss betrieben hatte, fortan nicht mehr zusammenarbeiten musste. Außerdem enthielt mein Arbeitsvertrag eine tarifrechtlich begründete Tätigkeitsbeschreibung, die mit einer Menge Stellen an der Uni kompatibel ist; und so wartete ich nach Beendigung meiner Tätigkeit in der besagten Dienststelle auf die Zuweisung einer neuen Stelle.

In der Strafkolonie der Uni Konstanz

Fast vier Wochen gingen ins Land. Da mir das Schweigen meines Arbeitgebers allmählich unheimlich wurde und ich befürchtete, man habe Probleme, eine passende Stelle für mich zu finden, hörte ich mich vorsichtshalber bei ehemaligen Dienststellen um und fand eine, wo man mich gerne wieder in Dienst genommen hätte. Einen Arbeitsvertrag inklusive Gehalt hatte ich ja, und Arbeitsaufträge in entsprechendem Umfang waren vorhanden. Doch als die Dienststelle diesbezüglich bei der Personalabteilung anfragte, hieß es, meine Tätigkeit dort sei nur möglich, wenn man mein Gehalt aus dem eigenen Budget finanziere.

Gegenüber den eigenen Fachbereichen und Instituten verhält sich die Personalabteilung der Uni wie ein Personaldienstleister gegenüber seinen Kunden: Wenn sie eine Stelle besetzen wollen, müssen sie zahlen, und da sie, bzw. nur wenn sie zahlen, dürfen sie auch entscheiden, wen sie einstellen. Diese Personalpolitik führt dazu, dass auch von Arbeitnehmer/inne/n mit unbefristeten Verträgen verlangt wird, sich auf ausgeschriebene Stellen zu bewerben, z.B. wenn Projektfinanzierungen ausgelaufen sind oder (wie in meinem Fall) Konflikte mit Vorgesetzten bestehen, die intern zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen.

Dementsprechend erhielt ich zeitgleich mit der Absage der Personalabteilung an meine ehemalige Dienststelle einen Brief, in dem ich „gebeten“ wurde, mich „auf ausgeschriebene Sekretariatsstellen der Universität zu bewerben“. Zur Begründung wurde mir mitgeteilt, man hätte „im Haus den Grundsatz, dass Vorgesetzte ihr Personal selbst aussuchen können, so dass eine Umsetzung schwierig ist.“ Und weiter: „Bis wir eine geeignete Stelle gefunden haben (oder eine Ihrer Bewerbungen erfolgreich war), werden wir Sie im Kontrolldienst, voraussichtlich im Eingangsbereich, einsetzen.“ Ich solle mich so rasch wie möglich in der Hausmeisterei (sog. Facilitymanagement) melden und dort ab November meinen Dienst antreten.

Mit „Kontrolldienst“ ist ein neuer Pandemie-bedingter Pförtnerdienst gemeint, der den Zutritt Unbefugter zum Gebäude verhindern soll. Man steht sich im Eingangsbereich stundenlang die Beine in den Bauch und kontrolliert, ob die Eintretenden sich registrieren. Mit meinem bisherigen Bürojob hat diese Tätigkeit nicht im Entferntesten etwas zu tun, es war vollkommen klar, dass es sich um eine rechtswidrige Degradierung und damit den zweiten, wesentlich effektiveren Versuch der Uni handelte, mich als missliebige und überflüssig gewordene Mitarbeiterin los zu werden.

Dass meine Chancen auf eine erfolgreiche Bewerbung aus der Degradierung heraus gleich null stehen, konnte man sich natürlich denken. Es war offenbar sogar beabsichtigt, mich auf diese Weise mürbe zu machen oder wahlweise im Pförtnerdienst versauern zu lassen. Zu Vorstellungsgesprächen hätten mich Fachbereiche und Institute als interne Bewerberin auf einschlägige Stellen zwar einladen müssen, wie aber hätte ich in diesen Gesprächen auch nur halbwegs vernünftig begründen sollen, warum ich nach zwölf Jahren im Büro plötzlich an der Pforte arbeite?

Vom Personalrat der Uni wurde mir diesbezüglich allen Ernstes empfohlen, zu sagen, ich würde Corona-bedingt freiwillig im Kontrolldienst arbeiten. Von der Arbeitnehmer/innen-Vertretung der Uni war also auch keine Unterstützung zu erwarten, was mich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr wunderte, da der Personalrat ein halbes Jahr zuvor ja auch die Probezeit-Kündigung abgenickt hatte. Wer glaubt, dort Rat und Hilfe zu bekommen, stellt leider bald fest, dass es sich wie auch bei der sog. Beschwerdestelle nach § 13 AGG um nichts als einen Handlanger der Personalabteilung handelt.

Ad hoc blieb mir also nichts übrig, als den Dienst an der Pforte anzutreten, wenn ich nicht die fristlose Kündigung riskieren wollte. Mein Entschluss, mich durch eine Klage wegen vertragswidriger Beschäftigung aus der entwürdigenden Situation zu befreien, stand vom ersten Tag an fest, zunächst aber hatte mein Rechtsanwalt keine Zeit und dann reagierte ich schon nach zwei Wochen psychosomatisch auf den Stress des Mobbings und entwickelte im zugigen Eingangsbereich mit ständig wechselnden Temperaturen eine Kälteallergie (von der ich bis dato überhaupt nicht gewusst hatte, dass es so etwas gibt).

Ende schlecht, alles gut!

Über die Wintermonate 2020/21 musste ich mich krank schreiben lassen, da die Personalabteilung mir keine andere Stelle zuwies, obwohl sogar die Betriebsärztin dazu riet, mich aus gesundheitlichen Gründen umzusetzen. Das Schreiben, mit dem ich einschlägige Atteste vorlegte und erneut Klage androhte, blieb unbeantwortet.

Im Januar reichte ich die Klage wegen vertragswidriger Beschäftigung und Zuweisung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes also ein und war recht zuversichtlich, da mir die Fakten mehr Recht als genug zu geben schienen, den Prozess erneut zu gewinnen. Auf Einladung des Gerichts kam ich Anfang Februar zur Verhandlung und wartete gespannt, was man von Seiten der Uni erwidern würde.

Die Reaktion war erschütternd: Mit dem Hinweis, ich würde schließlich von allen Dienststellen zum Vorstellungsgespräch eingeladen, wiederholte man die Bitte, ich möge mich auf einschlägige Stellen bewerben. Auf meine Bemühungen angesprochen, in einer ehemaligen Dienststelle unterzukommen, erwiderte man, dort bestünde kein Bedarf. Im Übrigen könne die Personalabteilung keine Dienststelle dazu verpflichten, mich einzustellen, allenfalls könne man mich dort im Rahmen einer Art Praktikum arbeiten lassen. Auf meinen Vorschlag, genau dies zu tun, bis ich mich erfolgreich beworben hätte, machte man mir einen „besseren“: Aufgrund der Pandemie-Lage sei man bereit, mich von der Pforte abzuziehen und fortan als „Hygienelotse“ im Innenbereich einzusetzen.

Das ist natürlich eine nicht minder hirnverbrannte Tätigkeit wie die im Eingangsbereich, nur dass es auf den Fluren nicht so zieht und man sich noch mehr langweilt, weil man nichts zu tun hat, als bei jedem Passanten zu kontrollieren, ob die Maske richtig sitzt oder in irgendeiner Weise gegen die geltende Corona-Verordnung verstoßen wird, die man zu diesem Zweck ein bisschen kennen muss. Vor Gericht ließ die Uni es sich denn auch nicht nehmen zu behaupten, diese Tätigkeit erfordere eine Menge Qualifikationen entsprechend der Entgeltstufe 6 TV-L, in die ich laut Arbeitsvertrag eingruppiert war. Im Übrigen sei es ein vorübergehender Einsatz, wobei man über die Dauer aufgrund der aktuellen Pandemie-Lage keine Aussage treffen könne.

Als die Uni mit diesem „Angebot“ herausrückte, wurde mir klar, dass alles von Anfang an Teil einer ausgeklügelten Strategie war, die mehrere Optionen bot, mich los zu werden:

Hätte ich beim Pförtnerdienst die Arbeit verweigert oder obstruiert, hätte man Anlass zur fristlosen oder verhaltensbedingten Kündigung gehabt. Hätte ich mich fortgesetzt krank schreiben lassen, hätte man mich als Simulantin enttarnt (tatsächlich hat die Uni schon nach kurzer Zeit den Medizinischen Dienst der Krankenkassen auf mich angesetzt). Früher oder später hätte die Krankenkasse die Zahlung des Krankengeldes eingestellt, und da ich keinen Anspruch auf Sozialleistungen gehabt hätte, hätte ich in den Frondienst zurückkehren müssen. Für den Fall einer erneuten Klage, wie ich sie dann ja auch anstrengte, hatte man den „Hygienelotsen“ wohlweislich als Ass im Ärmel behalten, um mir vor Gericht teilweise entgegenkommen und mich dadurch in Bezug auf eine Einigung unter Druck setzen zu können.

Selbst wenn ich mich von diesen Erkenntnissen nicht hätte beeindrucken lassen und die Klage auf vertragswidrige Beschäftigung weiter betrieben hätte, wäre ich nicht umhin gekommen, nachweislich zu belegen, dass eine Tätigkeit als „Hygienelotse“ mitnichten der in meinem Arbeitsvertrag festgelegten Eingruppierung entsprochen hätte; und selbst wenn mir dies gelungen wäre und ich mich erfolgreich „zurück ins Büro“ geklagt hätte, hätte man mich auch dort auf noch subtilere Weise weiter quälen können.

Die Kaltschnäuzigkeit, mit der mir mein Arbeitgeber begegnete, ließ darüber keinen Zweifel in mir aufkommen. Ohne mit der Wimper zu zucken, hätte man mich einen Prozess nach dem anderen führen lassen, bis ich endlich „freiwillig“ gegangen wäre. Ich sah ein, dass jede weitere Anstrengung aussichtslos, ja, sogar voll beabsichtigt war, um mich dem gegnerischen Ziel meiner persönlichen Zermürbung immer nur noch ein Stück näher zu bringen. Also gab ich auf und handelte erneut einen Vergleich aus.

Zum Glück, kann ich heute sagen, denn dieser Schritt hat mich inzwischen nicht nur von einem jener vollkommen sinnlosen und unendlich langweiligen Graeber’schen Bullshit-Jobs befreit, sondern es mir sogar ermöglicht, erwerbstechnisch vom Verwaltungs- in den sozialen Bereich zu wechseln, was ich als wesentlich befriedigender empfinde.

Da es sich wieder um einen Teilzeitjob und noch dazu keinen sehr umfangreichen handelt, beziehe ich zurzeit noch ALG I und frage mich bei allem, was ich mit der Bundesagentur für Arbeit erlebe bzw. nicht erlebe, wie es eine neue Regierung schaffen möchte, aus der „Agentur für Arbeit“ und den „Jobcentern“ jemals Institutionen zur Arbeitsvermittlung zu machen. … Sei’s drum: Auch ohne deren Unterstützung gab’s für mich persönlich wieder mal ein Happy End!

Das bunte Infoportal zum Anklicken

BGE-Newsticker
BGE-Newsticker
Grundeinkommen TV
Grundeinkommen TV
BGE ist Menschenrecht
BGE ist Menschenrecht
Die Frage wird drängender
Die Frage wird drängender
Weil ich es wert bin
Weil ich es wert bin
Kulturimpuls BGE
Kulturimpuls BGE
Kopernikanische Wende
Kopernikanische Wende
Krönungswelle
Krönungswelle
Wie es bezahlen?
Wie es bezahlen?
BGE & Geldsystem
BGE & Geldsystem
Leicht zu beheben...
Leicht zu beheben...
...durch neues Geld
...durch neues Geld
Geld, Zinsen, Schulden
Geld, Zinsen, Schulden
Boeses Grundeinkommen
Boeses Grundeinkommen
Geh den Rechtsweg!
Geh den Rechtsweg!
Sei kein Schaf!
Sei kein Schaf!
Abgründe des Sozialstaats
Abgründe des Sozialstaats