Für ein bedingungsloses Grundeinkommen

Was ist ein bedingungsloses Grundeinkommen?

Zur Beschreibung des bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) greife ich auf die Definition des Netzwerks Grundeinkommen zurück: »Ein Grundeinkommen ist ein Einkommen, das eine politische Gemeinschaft bedingungslos jedem ihrer Mitglieder gewährt. Es soll

  • die Existenz sichern und gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen,
  • einen individuellen Rechtsanspruch darstellen sowie
  • ohne Bedürftigkeitsprüfung und
  • ohne Zwang zu Arbeit oder anderen Gegenleistungen garantiert werden.

Das Grundeinkommen stellt somit eine Form von Mindesteinkommenssicherung dar, die sich von den zur Zeit in fast allen Industrienationen existierenden Systemen der Grund- bzw. Mindestsicherung wesentlich unterscheidet. Das Grundeinkommen wird erstens an Individuen anstelle von Haushalten gezahlt, zweitens steht es jedem Individuum unabhängig von sonstigen Einkommen zu, und drittens wird es gezahlt, ohne dass eine Arbeitsleistung, Arbeitsbereitschaft oder eine Gegenleistung verlangt wird.«

Die Idee und ihre historische Genese

Thomas Paine
Thomas Paine

Die Idee, dass jedem Bürger eine materiell abgesicherte Lebensweise zusteht, stammt bereits aus den Anfängen der antiken Staatskultur. Früh wurde man darauf aufmerksam, dass die Ungleichverteilung von Besitz und Vermögen unter den Staatsbürgern Unfrieden stiftete und erkannte den Zusammenhang zwischen der sozialen Notlage minder bemittelter Bürger und ihrer Neigung zur Straffälligkeit. Die soziale Utopie einer Gesellschaft von Gleichen in Verbindung mit einem garantierten Einkommen existiert seit Jahrhunderten, allerdings bis ins 18. Jahrhundert hinein stets verbunden mit dem Gedanken der Arbeitspflicht, der von den meisten sozialistischen Theorien aufgegriffen und in Richtung kommunistischer Gesellschaftsmodelle ausgearbeitet wurde.

Der erste Theoretiker, der die Idee eines garantierten Einkommens frei von Arbeitspflicht dachte und sie gleichzeitig naturrechtlich begründete, war der an der freiheitlichen Verfassung der Vereinigten Staaten maßgeblich beteiligte politische Aufklärer Thomas Paine. Im Jahr 1796 veröffentlichte er die Schrift Agrarische Gerechtigkeit und machte darin einen Vorschlag, das Problem zu lösen, das sich auch damals aus der voranschreitenden Konzentration des (Land-)Besitzes in der Hand einer Schicht Wohlhabender ergab, der eine Großzahl besitzloser und sozial deklassierter Menschen gegenüberstand.

Die augenfällige Gerechtigkeitslücke schloss Paine mit der Feststellung, die Erde mit all ihren natürlichen Gütern sei das unveräußerliche Eigentum der gesamten Menschheit, und somit stünde jedem bedingungslos ein Anteil am gemeinsamen Eigentum zu. Auf dieser Basis schlug Paine vor, die Besitzer, die das Land für ihre Zwecke nutzten, sollten eine Art Bodenpacht in einen Fond einzahlen, aus dem mit Beginn des 22. Lebensjahres jeder Mensch unabhängig von seinem Besitzstand eine Auszahlung als Entschädigung für den Verlust seines Anteils am Gemeingut und darüber hinaus eine regelmäßige Rentenzahlung ab dem 51. Lebensjahr erhielte.

Das Neue und Revolutionäre an Paines Vorschlag liegt darin, dass jeder Mensch ein Recht auf dieses Einkommen hat und zwar unabhängig von der Arbeit, die er in seinem Leben leistet. Damit ist der erste Schritt vollzogen hin zu einer vollständigen Entkoppelung von existenzsicherndem Einkommen und Arbeit, wie sie heute allen echten Grundeinkommenskonzepten zugrunde liegt. Sie unterscheiden sich von Paines Konzept allerdings auch darin, dass sie Formen der Besteuerung vorschlagen, die unserer heutigen Wirtschaftsordnung und Produktivität angemessener sind, sowie eine sukzessive Auszahlung des Grundeinkommens ab dem 1. Lebensjahr.

Das bedingungslose Grundeinkommen – eine Art Kommunismus?

Die Frage stellt sich nicht zu Unrecht. Denn die meisten sozialistischen und kommunistischen Ideologen stützten sich auf dieselbe naturrechtliche Begründung wie Paine, um das Recht auf Privateigentum in Frage zu stellen und das Eigentum, in Absehung von der Leistung des Besitzers zum wirtschaftlichen Erhalt, in den Besitz der Gemeinschaft zu überführen. Die ursprüngliche Gleichheit der Menschen, die das bedingungslose Grundeinkommen gewährleisten soll, artete in jene gewaltsame Gleichmacherei aus, die inzwischen aus allen gescheiterten und noch bestehenden sozialistischen Gesellschaftssystemen bekannt ist.

Weder Paine noch die heutigen Grundeinkommenskonzepte stellen das Recht auf Privateigentum und auf Anhäufung von Besitztümern in Frage. Zumindest die heutigen Grundeinkommenskonzepte postulieren aber das Recht des Einzelnen auf bedingungslose Teilhabe an der Wertschöpfung. Bei der Idee des bedingungslosen Grundeinkommens geht es also nicht um Umverteilung, z.B. von »oben« nach »unten«, wie sie häufig von Gewerkschaften und linken Parteien gefordert wird. Der Einzelne wird weder als Bedürftiger noch als Mensch betrachtet, mit dem man sich aus sozialen oder anderen Gründen solidarisieren muss oder soll.

Im Gegenteil: Es ist ein Recht, das jedem kraft seiner Existenz zusteht und ihn vor falsch verstandenen Akten der Solidarität und jeglicher, etwa daraus resultierender Form der Verfügbarkeit durch andere Mitglieder der Gesellschaft schützt. Mit Kommunismus (lat. communis = gemeinsam) hat das bedingungslose Grundeinkommen allerdings insofern zu tun, als das selbstbestimmte Leben des Einzelnen als unabdingbare Voraussetzung für ein reibungsloses Funktionieren der Gemeinschaft betrachtet wird.

Unfreiheit als Maßstab persönlicher Freiheit

Alles schön und gut, könnte man sagen. Tatsache aber ist, dass den meisten Menschen die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens auf Anhieb nicht einleuchtet. Sie fühlen sich in unserer von Abhängigkeiten geprägten Gesellschaft weder fremdbestimmt noch unfrei. Dies trifft in ihren Augen allenfalls auf diejenigen zu, die sich in der Gesellschaft ohne fremde Hilfe nicht zurechtfinden: auf die Arbeitlosen, Sozialhilfeempfänger und die, die, aus welchem Grund auch immer, den beruflichen Aufstieg nicht schaffen und sich daher mit schlechteren Arbeitsbedingungen (unattraktiven Tätigkeiten bei geringem Lohn) abfinden müssen.

Dass genau diese Sichtweise bereits ein Ergebnis der eigenen Unfreiheit ist, in die jedes Mitglied dieser Gesellschaft hineingeboren wird, fällt selbstverständlich keinem ein, der solche Ansichten vertritt. Denn das Gefühl, der Überlegene zu sein, ermöglicht es einem in perfekter Weise, sich über die Abhängigkeiten hinwegzutäuschen, die den eigenen Wert als selbstbestimmte Persönlichkeit permanent in Frage stellen: erst die langjährige finanzielle Abhängigkeit von den Eltern, die emotionale Abhängigkeiten jeglicher Form auch im späteren Leben begünstigt; und dann die finanzielle Abhängigkeit von den Institutionen, die einem eine angeblich frei gewählte und ausgeübte Berufstätigkeit ermöglichen.

Die Akte der Fremdbestimmung, die aus diesen Abhängigkeiten resultieren und eines jeden Leben und Laufbahn prägen, nimmt er unter dem Gesichtspunkt, dass es von Anfang an keine Alternative gab, als Fremdbestimmung überhaupt nicht wahr. Vielmehr geben sie ihm ein trügerisches Gefühl der Sicherheit: Es ist ja durchaus bequem, zu tun, was andere für einen vorsehen, zu denken, was andere sich ausgedacht haben, Entscheidungen nicht selbst fällen und niemals die vollständige Verantwortung für das eigene Handeln übernehmen zu müssen.

Der Zustand der Unfreiheit ist in dieser Gesellschaft der Maßstab für das Gefühl größtmöglicher persönlicher Freiheit. Auch ein Tier, das man Jahrzehnte lang in einen Käfig gesperrt hat, kommt nicht freiwillig daraus hervor, wenn man ihm die Tür öffnet; und nähert man sich mit freundlicher Geste, wird man gebissen.

Mangelnde Selbstbestimmtheit und gesellschaftlicher Machtkampf

Durch das Korsett von Abhängigkeiten wird man in dieser Gesellschaft zum Einzelkämpfer, der sich in einem ständigen Ringen und Kräftemessen mit anderen unter Beweis stellt und auf diesem Wege versucht, sich ihnen gegenüber aufzuwerten: als perfekter Elternteil, der neben Haushalt und Kindern auch im Beruf erfolgreich ist, als erfolgreicher Mitarbeiter oder Unternehmer, der dazu beiträgt, dass das Bruttosozialprodukt steigt, die Wirtschaft und der gesellschaftliche Wohlstand wachsen, auch und gerade in Anbetracht steigender Zahlen von Arbeitslosen und prekär Beschäftigten, die auf die Hilfe der Starken und Leistungsfähigen angewiesen sind, um überhaupt leben zu können.

Tatsächlich dient einem die Existenz dieser »Hilfebedürftigen« lediglich dazu, in einem von Abhängigkeiten geprägten Leben die Illusion persönlicher Unabhängigkeit und Freiheit aufrecht zu erhalten: Die anderen brauchen einen, man selbst aber ist nicht auf sie angewiesen, man kommt auch ohne sie klar und findet im Kampf aller gegen alle noch genügend Menschen, die dergleichen über sich ebenfalls sagen können.

Thomas Hobbes ging mit dem bekannten Motto homo homini lupus (= der Mensch [ist] des Menschen Wolf) einst davon aus, das Machtstreben läge in der Natur des Menschen, und empfahl einen starken Staat, der ihn darin einschränken solle. Jean Jacques Rousseau ging davon aus, der Ursprung menschlichen Machtstrebens läge in der Entstehung des Privateigentums und sei ein Produkt von Kultur und Zivilisation.

Weder dominante Staatswesen noch die Abschaffung des Privateigentums haben das menschliche Machtstreben erfolgreich eingeschränkt, sondern es, im Gegenteil, offenkundig verstärkt. Sie schränkten den Einzelnen in seinem Autonomiestreben radikal ein und fachten sein Machtstreben damit dermaßen an, dass innerhalb kurzer Zeit absolutistische Staatsgebilde und totalitäre Diktaturen entstanden, in denen es einer relativ kleinen Elite Mächtiger mit Hilfe von Gewalt und Terror gelang, Millionen von Menschen zu beherrschen.

In Wirklichkeit ist das menschliche Machtstreben weder natur- noch kulturbedingt, es resultiert vielmehr aus dem Konflikt des Einzelnen mit den Anforderungen einer Gesellschaft, in der er sich selbst nicht optimal verwirklichen kann. Dies trifft auch und gerade auf diejenigen zu, die den mehr und weniger sozial »abgefederten« Liberalismus angloamerikanischer Prägung für die einzige noch übrig gebliebene vernünftige Wirtschafts- und Gesellschaftsform halten.

Die hässliche Seite der Solidarität

Denn aus welchem anderen Grund als dem, sich weiterhin anderen überlegen fühlen zu können, bestehen gerade die Menschen, die sich in unserer Gesellschaft als unabhängig und frei einstufen, darauf, das bestehende System zu erhalten, und verwerfen abwinkend die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens für alle?

Suum cuique – jedem das Seine, lautet der seit der Antike überlieferte Leitspruch zum Problem der Verteilungsgerechtigkeit, der in perfider Weise von den Nazis als Sinnspruch für die Insassen des KZs Buchenwald missbraucht wurde. Ein Schelm, wer Böses denkt über diejenigen, die dennoch der Auffassung sind, dass der Spruch in Bezug auf die soziale Marktwirtschaft, in der wir leben, einen Funken Wahrheit birgt: Schließlich soll jeder nach seiner Leistung entlohnt werden. Erbringt er keine, bekommt er auch keinen Lohn, kann sich aber der Solidarität der Gemeinschaft sicher sein, die sich seiner erbarmt und ihm stattdessen ein Almosen gibt.

Dass die sogenannte Solidarität in Wirklichkeit eine Form der Machtausübung und die Barmherzigkeit nichts anderes ist als Herablassung, bekommt jeder zu spüren, der sich, zum Beispiel als Arbeitsloser, zu den Starken und Leistungsfähigen nicht zählen darf und es mit den staatlichen Institutionen zu tun bekommt, die die »Almosen« verwalten.

Durch eine staatlich alimentierte Drückerkolonne unter Androhung des Entzugs der Lebensgrundlage in Zeitarbeit, 450-€-Jobs und andere prekäre und schlecht entlohnte Arbeitsverhältnisse gepresst zu werden, empfindet in der Regel schon nach kurzer Zeit keiner mehr als Hilfe in einer Situation der Bedürftigkeit, sondern als genau das, was es ist: eine brutale Einschränkung seiner persönlichen Autonomie und seiner Rechte mit dem Ziel, ihm seinen Platz in der Gesellschaft zuzuweisen – und zwar den unterhalb der »Starken« und »Leistungsfähigen«.

Die Fleißigen und die Faulen

Dass die Unterwerfung anderer der eigentliche Beweggrund dieser fragwürdigen Form der Solidarität ist, zeigt sich auch an dem Argument, mit dem die Befürworter des bestehenden Systems die »Almosen«-Vergabe an die Bedingung der Aufnahme jeglicher Form von Arbeit knüpfen:

Schließlich muss man verhindern, dass die Zahl der Schwachen und Hilfebedürftigen immer größer wird und am Ende das ganze System zusammenbricht, weil die Starken und Leistungsfähigen die für die Hilfeleistung anfallenden Kosten nicht mehr bezahlen können.

Dass dieses Argument in Anbetracht der voranschreitenden Verarmung ganzer Bevölkerungsteile in den Staaten Europas, der USA und anderswo äußerst fragwürdig ist, spielt in ihren Augen keine Rolle. Sie betrachten die Verarmung nicht als Folge des bestehenden Systems der Machtausübung, sondern im Zweifelsfall als Auswuchs einer grundsätzlichen Neigung des Menschen zu Faulheit und Bequemlichkeit, der man selbst sich natürlich niemals hingibt und der auch andere sich nicht hingeben sollen.

Wo kämen wir denn da hin?!

Mit demselben Argument wird von den Befürwortern des bestehenden Systems in der Regel auch die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens abgelehnt. Es stünde zu befürchten, dass die Menschen massenhaft ihre Arbeit aufgeben und die wirtschaftliche Produktivität dermaßen darunter leiden würde, dass innerhalb kurzer Zeit kein Geld mehr da wäre, um es zu bezahlen.

Fragt man diejenigen, die dieses Argument hervorbringen, ob sie selbst denn ihre Arbeit aufgeben und sich der Faulheit hingeben würden, verneinen sie dies in der Regel, gehen aber weiterhin davon aus, dass die anderen dies täten.

Ich und Du beziehungsweise der Andere

Mit der Frage, ob ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle zu befürworten oder abzulehnen ist, stellt sich nicht nur die Frage nach dem Menschenbild, sondern auch die Frage nach dem Selbstbild und dem Bild, das ich von anderen bzw. meinen Mitmenschen habe.

Haben diese vielen (leistungs)schwächeren, womöglich sogar faulen, in ihrer Laufbahn oder Entwicklung jedenfalls irgendwie gehemmten Menschen, die es nicht schaffen, für sich selbst zu sorgen, wirklich nichts mit mir zu tun? Oder sind sie nur eine Projektion bisher nicht realisierter und in Gestalt jener »Anderen« abqualifizierter Eigenschaften und Zustände meiner selbst?

Diese Fragen kannst nur Du beantworten.

Du bist frei.

Du bist niemandem etwas schuldig.

Niemand schreibt Dir vor, was Du zu denken und zu glauben hast.

Das ist die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens.

Sie taugt nicht zur Ideologie, sie setzt auf Dich als den Menschen, von dem alles abhängt.

Es wäre schön, wenn Du dazu beitragen würdest, dass es uns allen zuteil wird!

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